Liebe, Lust und Keuschheitsgürtel (Pressekritik)

„Liebe, Lust und Keuschheitsgürtel“

von Evelyn Eischeid

 

Elsfleth Wie gut, dass es im Mittelalter oft einen Kerl gab, der für den Keuschheitsgürtel einer minniglich angebeteten Strohwitwe einen passenden Büchsenöffner besaß, während sich der gehörnte Angetraute auf Mechanik, gut verwahrtem Schlüssel und die Tugend seines Eheweibes vertrauend – frohgemut und betend auf den soundsovielten Kreuzzug begab.

Aber gemach – bevor der im Schlosserhandwerk versierte Troubadour seine Tricks verrät, wird im Heye-Saal dem geneigten Publikum die neueste Erwerbung des Kulturvereins vorgestellt. Die Vorsitzende Renate Detje präsentiert das „jüngste Kind“ des Vereins: das E-Piano erfüllt alle musikalischen Wünsche – egal, ob der Pianist Kenntnisse besitzt oder keine Ahnung vom Klavierspiel hat. Renate Detje stellt es unter Beweis: Chopin funktioniert elektronisch ganz prima.

Damit ist der Weg für eine gestandene Pianistin bereitet. Cat Lustig nimmt Platz und bereitet den Weg für die Schauspielerin und Sängerin Dagmar Dreke, gemeinsam beschreiten sie die die Gefilde verbaler und musikalischer – immer erotischer Persiflagen, den Weg zu „Liebe, Lust und Keuschheitsgürtel“ . Das sind die Chansons und Couplets, die in den keuschen 60er Jahren selten aus den Schmuddelkisten erotischer Fantasien hervorgezerrt wurden. Und hätte es nicht die genial freche Chansonette Helen Vita gegeben, die entzückenden kleinen Schweinereien hätten in Giftschränken bis heute unbemerkt ihr Dasein gefristet.

Für eine musikalische Auferstehung sorgt an diesem Abend Dagmar Dreke – ihre frechen bis allerfrechsten Chansons aus 350 Jahren rotieren nicht verschämt rund um den Bauchnabel, die charmante Sängerin bevorzugt Klartext – ganz eindeutig südlich der Gürtellinie. Und so erfährt das anfangs noch abwartend schmunzelnde Publikum, das „Sur le pont d`Avignon“ selten getanzt wurde, aber was unter der Brücke geschah – auweia! Noch schlimmer trieb es der triebhafte König Dagobert, der sich bei den Damen mit seinem Zepter Respekt verschaffte und der noch triebhaftere Baron Schlock verführte seine Vicomtesse sicher nicht mit seiner dicken Wampe, er war auch sonst zufriedenstellend ausgestattet.

Mit piepsiger Kleinmädchenstimme rät die Dreke als verführte Unschuld vom Lande, warum ein Mädchen niemals im Wald Nüsse suchen sollte – tut sie es doch, hat das Folgen – so ist es im Traktat „Das schamlose Volkslied“ nachzulesen – c’est vrai! Wahr ist auch, dass sich einst ein Jüngling als Mädel ins Nonnenkloster einschlich und nackig die Tugendinspektion der Äbtissin mittels Bindfaden bestand – tat aber richtig weh, als der Faden riss. Mal maliziös, mal kokett, mal mit wunderschönem Sopran, mal mit Lästerzunge und mal mit donnernder Berserkerstimme wandelt die kapriziöse Dagmar Dreke durch die Niederungen schlüpfriger Chansons und auf diesem Pfad folgt ihr das Publikum im Heye-Saal mit zunehmender Begeisterung – hier kann man noch eine Menge lernen.

Denn auch ein Floh geht mal eine unsägliche Liaison in feuchten Gefilden ein, ein Kaminkehrer fegt nicht nur Schornsteine, ein Pfannenflicker flickt nicht nur Bratpfannen und womit ein verstorbener Herr aus Frankreich letztlich den Sargdeckel sprengt, bedarf keiner näheren Erläuterung. In den unendlichen Geschichten der erotischen Persiflagen ist endlich auch der Troubadour angekommen und genießt als Schlosser die Gunst der Stunde und das helle Entzücken der Heye-Saalbesucher.

Im Reigen der phallischen Angeberlieder darf endlich auch mal „Frau“ zu Wort kommen: „Mein Mann will mich verlassen“ jubelt die Sängerin, froh über die Trennung. Klar, dass mit den unermüdlichen Stehaufmännchen jeder Ärger anfängt. Letztlich ist das Publikum nicht nur von dem musikalischen „Schweinkram“ hellauf begeistert, auch Dagmar Dreke und ihre tolle Pianobegleiterin Cat Lustig hat es in sein Herz geschlossen – verständlich, dass die Besucher noch drei Zugaben heraus klatschen und dann geht man nach Hause, endlich wissend woran es liegt, dass die Menschheit noch nicht ausgestorben ist. Ein herrlich frecher Abend!